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Ein Kaffee mit.. Fabian Hammerl

Fabian Hammerl

Fabian Hammerl, © Florian Nelsen

13.05.2019 - Artikel

Bei unser Rubrik „Ein Kaffee mit..“, sprechen wir mit Menschen aus dem Amtsbezirk, über ihr Leben oder Erfahrungen in der deutsch-chinesischen Kultur- oder Wirtschaftswelt. Für die zweite Ausgabe haben wir uns auf dem Campus der Sichuan University mit Fabian Hammerl getroffen. Zwischen Katzen, Kaffee und Keksen konnten wir uns über seine Erfahrungen in und mit China austauschen; nebenbei hat er sogar den einen oder anderen Tipp, für Künstler mit dem Wunsch in China tätig zu werden, parat. Zustande kam der Kontakt durch Almost 4 Art, über deren Ausstellung wir bereits im Kulturverteiler des Monats April berichteten. Wer mehr über die Person Fabian Hammerl erfahren möchte, findet Informationen und Werke auf seiner Website http://www.fabian-hammerl.de/. Die vorherige Ausgabe von „Ein Kaffee mit..“ mit den Gründern von Joghurtwerk finden Sie hier.


GK Chengdu: Was bringt Dich nach China? Wie kam der Kontakt zustande?

Fabian Hammerl: Seit meinem ersten privaten Aufenthalt in China 2012 habe ich so etwas wie eine beständige Sehnsucht und komme mindestens einmal im Jahr nach China. Der Kontakt mit Jody Huang, einer der Gründerinnen von Almost Four geht auf ein Projekt in Hamburg zurück, an dem sie teilgenommen hat. Das war, glaube ich, 2013. Danach sind wir immer in Kontakt geblieben und haben schon mehrere Künstleraustausch-Projekte in Hamburg und Chengdu zusammen organisiert. Und nachdem Almost Four letztes Jahr gegründet worden ist, hat sie mich eingeladen.

GK Chengdu: Ist das Dein erster Aufenthalt in China/Sichuan, was hat sich verändert? 

Hammerl: In den Jahren seit 2012 hat sich in China Vieles sehr verändert. Was mich betrübt, ist das Verschwinden der informellen Straßenküchen. Ich erinnere mich noch sehr gut an das Auftauchen aus der Metro in Shanghai, mein erster Kontakt mit China, Lingling Lu im Winter, jeder Meter war ein neuer Geruch, und egal zu welcher Tages- und Nachtzeit gab es fast überall mobile Stände, ein über dem eigentlichen Stadtplan liegendes Muster, das sich stündlich veränderte und eng mit dem Lebensrhythmus der Stadt verknüpft war. Man konnte erkennen, wann wo Feierabend oder im Kino der letzte Film zu Ende war, ein KTV die letzten Gäste rausschmiss, wann auf dem Arbeits- oder Schulweg Bedarf an Youtiao oder Zhou herrschte. Inzwischen muss man, zumindest in vielen größeren Städten, nach nächtlichem BBQ suchen. Das erscheint zunächst vielleicht nur eine unbedeutende Veränderung zu sein, aber sie sagt viel über den Wandel des öffentlichen Raums aus.

In Chengdu allerdings hat sich in dieser Hinsicht Weniger verändert als in anderen Städten, und ich war glücklich, meine schlaflosen Nächte auf einem kleinen Plastikhocker mit Bier und frisch Gegrilltem verbringen zu können.

GK Chengdu: Siehst Du eher mehr Parallelen zum Leben eines Künstlers in China oder eher mehr Unterschiede?

Hammerl: Das kann ich nicht beantworten. Die individuellen Entwürfe, sein Leben mit der künstlerischen Praxis zu verweben scheinen sich mir eher an den persönlichen Umständen auszurichten, als dass sie Länderspezifisch wären. Ich sehe oft Ähnlichkeiten in den Lebensumständen von Künstlerfreunden aus, zum Beispiel Deutschland und Japan, und große Unterschiede zwischen zwei chinesischen Künstlern aus derselben Stadt.

Kaffee & Kamera
Kaffee & Kamera© Florian Nelsen

GK Chengdu: Was rätst Du jungen Menschen / Künstlern / Kreativen, die gerne einmal Fuß in der hiesigen Szene fassen möchten, bzw. die nach Projekten in China suchen?

Hammerl: Es ist eigentlich immer der selbe Rat, der für jedes künstlerische Projekt gilt: Nichts macht Sinn, wenn man keinen persönliches Drang, Notwendigkeit ist vielleicht ein zu starkes Wort, verspürt und mit offenen Fragen hinein-, und meistens auch wieder herauszugehen bereit ist. Diese Fragen, Neugier, Begeisterung, manchmal auch Verwirrung oder Frustration mit anderen Künstlern, Freunden und Fremden zu teilen, unterschiedlichste Antworten zu finden und wieder zu verwerfen ist für mich die Grundlage für das internationale Arbeiten jenseits von Exotismus und CV-Optimierung.

Natürlich hilft es, um erste Kontakte zu knüpfen oder die Szene kennenzulernen, sich auf offizielle Stellen zu bewerben, oder an Austauschprogrammen teilzunehmen. Aber wenn es wirklich darum geht, in einer Stadt oder einem Land Fuß zu fassen, braucht es Ausdauer und ein ehrliches Engagement. Daraus entstehen Vertrauen und Freundschaften, die eine langfristige Zusammenarbeit ermöglichen.

GK Chengdu: Deine Ausstellung betreffend, was ist der Reiz mit Künstlern verschiedener Länder zusammen zu arbeiten? Inwiefern spielt die Herkunft eine Rolle? Wird das untereinander auch mal thematisiert? 

Hammerl: Bei den meisten meiner Projekte, steht eher die lokale Verwobenheit der Künstler als ihre Nationalität im Vordergrund. Oft sind die Biographien der Künstler ja auch geprägt von Stationen auf der ganzen Welt, und das thematisieren wir natürlich, sowohl in privaten Gesprächen als auch in der künstlerischen Zusammenarbeit. Wie setzt sich Identität zusammen, welche Rolle spielt das Lokale, oder eben die internationale Erfahrung für die Arbeit? Meist ergibt das dann ein Puzzle, in dem die ursprüngliche Herkunft ein mehr oder weniger großes Teil ist.

Ich stelle mir natürlich die Frage, welchen Wert es hat, für Projekte ins Ausland zu fliegen, ob es nicht zeitgemäßer wäre, alles auf digitalem Wege zu machen. Was glaube ich, mit meiner Anwesenheit bewirken zu können, das sich nicht in einer skype-Session bewerkstelligen ließe? Für mich liegt es auf der Hand, ich fotografiere, und dafür ist es sinnvoll, vor Ort zu sein. Aber am Wichtigsten sind die Gespräche, gemeinsame Autofahrten oder Spaziergänge, auf denen man oft sehr persönliche biographische Geschichten austauscht, angeregt durch die besuchten Orte, aber auch durch die Anwesenheit des „fremden Blicks“ oder meine Fragen.

Mit einem der Partner des Projekts in Chengdu, Yi Shan, habe ich eine Fahrt in seine Heimatstadt gemacht, zusammen mit einem befreundeten Ehepaar, das war Teil seines Video-Projekts, in dem es um Erinnerung und natürlich Herkunft geht, mit teils fiktiven, teils realen Elementen. 

Einen so direkten Bezug zu Herkunft und Biographie braucht es nicht unbedingt, aber meist gibt es an irgendeiner Stelle des künstlerisches Arbeitens Anknüpfungspunkte zum Biographischen, das ja wiederum immer mit bestimmten Orten verbunden ist.

GK Chengdu: Was nimmst Du auf kreativer Ebene mit aus China an Erfahrung oder Inspiration, was Du aus anderen Ländern so nicht mitnehmen könntest (Stichwort Japan)?   

Hammerl: Mit aller Vorsicht, die bei länderspezifischen Zuschreibungen geboten ist: Die Art und Weise, wie in China Dinge vorangetrieben werden ohne es zu kommunizieren, eine verborgene Maschine die unbemerkt Probleme aus dem Weg räumt und Aufgaben erledigt, während ich sorgenvoll davon ausgehe, dass nichts passiert. Die Maschine ist das Netzwerk aus Freunden, die versuchen, die manchmal sehr spezifischen Wünsche, die im Laufe eines Projekts aufkommen zu erfüllen. Aber eben oft, ohne dass ich etwas davon bemerke, und oft auch mit einem abweichenden Zeitplan. 

Das ist ein riesiger Unterschied zu der sehr detailreichen Kommunikation, wie ich sie besonders aus Deutschland kenne, bei der man sich über jeden Schritt informiert, oft auch darüber dass gerade kein Schritt gemacht wurde. 

Dieser „chinesische“ Weg hat mich geduldiger gemacht, oder vielleicht eher gelehrt, Vertrauen in Andere zu haben und zu akzeptieren, dass ich nicht den kompletten Weg zu einer Lösung hin kennen und mitgehen muss. Und dass es alternative Ergebnisse gibt, die anders, manchmal sogar besser sind als das von mir erwartete.

Möchte nur spielen: Milk, die Cafékatze
Möchte nur spielen: Milk, die Cafékatze© Florian Nelsen

GK Chengdu: Sind weitere Projekt in China / mit chinesischen Künstlern geplant? Vielleicht auch in Hamburg? 

Hammerl: Ich hoffe sehr, dass die Zusammenarbeit mit Almost Four weitergeht, sei es, dass befreundete Hamburger Künstler den Ort bespielen können, oder auch dass ich wiederkommen und die Zusammenarbeit mit Künstlern aus Chengdu fortsetzen kann. 

Während des Projekts hat sich außerdem ein sehr interessanter Dialog mit verschiedenen Künstlern, Professoren, Kuratoren aus Chengdu über das Thema Emotionen und (öffentlicher) Raum entwickelt, und ich bin sicher, dass wir daraus etwas machen werden.

Und natürlich arbeiten wir daran, dass bald wieder Künstler aus Chengdu im Austausch nach Hamburg kommen können!

GK Chengdu: Wie funktioniert die Planung und Organisierung mit der chinesischen Seite? 

Hammerl: Uh, es ist immer eine Herausforderung, Projekte per skype und Wechat zu koordinieren. Fast alles lässt sich leichter klären, wenn man sich am Tisch gegenübersitzt, und jeden Punkt direkt wegarbeitet. Deadlines des Partners zum Beispiel sehen nicht so dringlich aus, wenn man sie von der anderen Seite der Welt aus betrachtet, und oft ist es notwendig, Entscheidungen zu treffen, ohne den anderen zu konsultieren. Eine Besonderheit in der Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern ist, dass Emails nicht mehr als relevantes Kommunikationsmittel gesehen, und dementsprechend nicht mehr gelesen werden. Daran, und daran, Dokumente, Texte und Fotos in endlosen Kaskaden per Wechat auszutauschen muss man sich gewöhnen.

In der Zusammenarbeit mit Jody von Almost Four ist alles etwas einfacher, weil wir uns schon so lange kennen und vertrauen. Es kommt oft vor, dass sie eine Entscheidung trifft, und meine erste Reaktion ist: Wie soll das denn funktionieren? Dann erinnere ich mich, dass sie sehr genau weiß, wie die Dinge in Chengdu funktionieren (und ich nicht). Und in 90% der Fälle hat sie Recht.

Das ist vielleicht auch die zweitwichtigste Erfahrung aus meinen Besuchen in China und dem Kontakt mit meinen chinesischen Freunden: Viele Gewissheiten, mit denen man aufgewachsen ist und sich eingerichtet hat, sind nicht universell. Sie gelten unter bestimmten Umständen, zu einer bestimmten Zeit und an bestimmten Orten. An anderen Orten treten andere Gewissheiten an ihre Stelle, von denen man bis dahin angenommen hatte, sie seien mit den Eigenen unvereinbar (oder von deren Existenz man keine Ahnung hatte. Und die Existenz mehrerer Gewissheiten stellt das Prinzip Gewissheit als Ganzes in Frage. 

(Die vielleicht wichtigste Erfahrung ist, dass es einige wenige Gewissheiten gibt, von denen man nicht abrückt, egal wo und unter welchen Umständen.)

GK Chengdu: Zu guter Letzt, wie trinkst Du deinen Kaffee am liebsten?

Hammerl: Je nach Lust und Laune, Ort und Uhrzeit kann das variieren, aber mit einem frischen Cappuccino habe ich noch nie etwas falsch gemacht.

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