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Bundeskanzler Olaf Scholz in China

18.04.2024 - Artikel

Lesen Sie hier die Erklärung des Bundeskanzlers im Rahmen der gemeinsamen Pressebegegnung mit Premierminister Li Qiang am 16. April in Peking nach.

Erklärung des Bundeskanzlers im Rahmen der gemeinsamen Pressebegegnung mit Premierminister Li Qiang am 16. April in Peking

Sehr geehrter Ministerpräsident Li, ich danke Ihnen und Präsident Xi für die Einladung nach Peking. Wir haben heute gute, ausführliche und intensive Gespräche geführt. Gerade in so bewegten Zeiten ist der regelmäßige persönliche Austausch besonders wichtig.

Ein wichtiges Thema unseres Gesprächs war natürlich der brutale russische Angriffskrieg auf die Ukraine und seine Folgen für die Welt. Ich habe noch einmal deutlich gemacht: Dieser Krieg betrifft die ureigensten Sicherheitsinteressen Deutschlands und Europas ganz direkt. Die Charta der Vereinten Nationen schreibt die staatliche Souveränität und die Unverletzlichkeit von Grenzen vor, und sie ist unzweideutig in ihrem Verbot von Angriffskriegen, wie ihn Russland seit mehr als zwei Jahren gegen die Ukraine führt - ein Krieg, der in Europa tobt, unter dem aber die ganze Welt zu leiden hat.

China hat als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat eine herausgehobene Verantwortung für den Weltfrieden, und Chinas Wort hat Gewicht in Russland. Deshalb habe ich Präsident Xi gebeten, auf Russland einzuwirken, damit Putin seinen irrsinnigen Feldzug endlich abbricht, seine Truppen zurückzieht und diesen furchtbaren Krieg beendet.

Es ist gut, dass wir uns auf einige wesentliche Punkte geeinigt haben. Einig waren Präsident Xi und ich: Die Wahrung der Souveränität und der territorialen Unversehrtheit sind notwendige Grundlagen für eine nachhaltige Friedensordnung.

Wir waren uns auch einig: China und Deutschland wollen Bemühungen um Frieden in der Ukraine unterstützen und ermutigen. Wir sind bereit, uns über die Förderung der Ausrichtung einer hochrangigen Konferenz in der Schweiz und zukünftiger internationaler Friedenskonferenzen in diesem Zusammenhang weiter intensiv und positiv abzustimmen.

Ebenso sprechen sich Deutschland und China klar gegen den Einsatz von und die Drohung mit Atomwaffen aus. Damit bekräftigen wir unseren Appell, den wir bei unserer letzten Begegnung hier in Peking im November 2022 zusammen formuliert haben. Heute sind wir uns darüber hinaus einig, dass wir Angriffe auf kerntechnische Einrichtungen wie Atomkraftwerke ablehnen. Ebenso appellieren wir, die Probleme für die Ernährungssicherheit in der Welt angemessen zu lösen. Die Produktionen und der Export von Getreide dürfen nicht behindert werden. Hunger darf keine Waffe werden.

Schließlich stimmen Präsident Xi und ich mit Blick auf den Krieg auch darin überein: Das humanitäre Völkerrecht ist in diesem Konflikt zu achten, und die Zivilbevölkerung ist zu schützen. Die Kriegsgefangenen von beiden Seiten sollen möglichst bald freigelassen und ihre Rechte respektiert werden.

Ein zweiter Krisenherd, der uns aktuell umtreibt, ist die heikle Lage im Nahen Osten. Deutschland verurteilt den beispiellosen Angriff des Iran auf israelisches Staatsgebiet auf das Schärfste. Damit riskiert das Regime in Teheran einen Flächenbrand, der die gesamte Region anstecken kann. Das gilt es jetzt mit kluger und überlegter Politik zu verhindern.

Deutschland verurteilt die barbarischen Terrorangriffe der Hamas auf Israel am 7. Oktober scharf. Wir fordern die sofortige Freilassung aller Geiseln, die sich seit mehr als einem halben Jahr in der Hand ihrer Hamas-Entführer befinden.

Die kritische humanitäre Lage im Gazastreifen bereitet China und Deutschland große Sorgen. Jetzt muss es darum gehen, einen ungehinderten und verlässlichen Zugang für humanitäre Hilfe nach Gaza sicherzustellen. Das verlangen China und Deutschland gemeinsam.

Wir unterstützen auch die koordinierende Rolle der Vereinten Nationen bei der humanitären Hilfe. Die jüngste Resolution 2728 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen muss durchgesetzt werden. Für Deutschland steht dabei im Vordergrund, rasch einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln zu erreichen.

Präsident Xi und ich sehen in der Zweistaatenlösung die einzige Möglichkeit, um langfristige Sicherheit und Frieden von Israelis und Palästinensern zu ermöglichen. Wir rufen gemeinsam dazu auf, gemäß dem Völkerrecht eine sichere Handelsschifffahrt zu gewährleisten, insbesondere im Roten Meer.

Neben diesen weltpolitischen Fragen haben uns natürlich auch unsere bilateralen Beziehungen beschäftigt. Deutschland und China sind füreinander bedeutende Handelspartner. Davon haben beide Seiten enorm profitiert.

Ministerpräsident Li gegenüber habe ich meine Besorgnis formuliert, dass einseitige wirtschaftspolitische Entscheidungen in China Unternehmen in Deutschland und in Europa vor große strukturelle Schwierigkeiten stellen. Mir ist wichtig zu sagen: Wir wollen kein Decoupling von China. Wir wollen, dass China weiterhin ökonomisch Erfolg hat. So haben wir es im Kreise der G7 im vorigen Jahr noch einmal klar formuliert. China soll und wird ein wichtiger Wirtschaftspartner für Deutschland und für ganz Europa bleiben. Grundlage dafür sind natürlich faire Wettbewerbsbedingungen. Ministerpräsident Li und ich haben ausführlich über gleichberechtigten Marktzugang, den Schutz geistigen Eigentums und die Notwendigkeit verlässlicher rechtlicher Rahmenbedingungen gesprochen.

Decoupling kommt für uns nicht in Frage. Das habe ich eben ausgeführt. Uns, in Deutschland und Europa, geht es darum, einseitige Abhängigkeiten zu verringern, unsere Lieferketten zu diversifizieren und Risiken für die Wirtschaft zu reduzieren - ein Ziel, das China seit einiger Zeit selbst verfolgt. Das heißt, wir wollen unsere Resilienz in kritischen Bereichen erhöhen, indem wir bestehende Wirtschaftsbeziehungen vertiefen und neue Verbindungen fördern.

Über die Chancen und Herausforderungen der Strategie haben wir beim beratenden Ausschuss der deutsch-chinesischen Wirtschaft auch mit den Vertretern wichtiger Unternehmen gesprochen. Diese Gespräche setzen wir fort.

Wir haben auch über den regelbasierten Handel gesprochen. Ich habe erneut unterstrichen, dass wir auf Chinas Einsatz für eine multilaterale regelbasierte Ordnung in der Welthandelsorganisation, bei G20 und den Vereinten Nationen zählen. Wie sehr wir diskutiert haben, haben ja unsere beiden Beiträge hier schon deutlich gemacht.

Ich freue mich sehr, dass wir in drei konkreten Punkten Vereinbarungen erreicht haben:

Erstens hat China zugesagt, den Handel mit Rindfleisch aus Deutschland wieder zuzulassen.

Das gilt - zweitens - auch für den Import von Äpfeln. Ein wichtiges Abkommen wurde unterzeichnet.

Drittens haben unsere Fachleute den Auftrag erhalten, die Bedingungen für den Handel mit Schweinefleisch aus Gebieten, die nicht von der afrikanischen Schweinepest betroffen sind, wieder abzustimmen.

Ein weiterer Punkt ist mir ganz wichtig: Die weltpolitische Verantwortung unserer beider Staaten zeigt sich auch in unserer Zusammenarbeit beim Kampf gegen den Klimawandel. Deutschland verfolgt ehrgeizige Ziele zum Schutz des Klimas und vollzieht eine Energiewende, um als erstes G20-Land bis 2045 klimaneutral zu sein. Beim Klima- und Transformationsdialog, der in wenigen Wochen stattfinden wird, können wir uns ausführlich über die Erfahrungen mit den Rahmenbedingungen für Klimaschutz, Dekarbonisierung der Industrie und den nötigen Strukturwandel austauschen.

Einen engeren Austausch haben wir auch auf dem Feld der nachhaltigen Landwirtschaft, beim Schutz und Erhalt der Biodiversität sowie der Vermeidung von Plastikmüll verabredet. Das Gleiche gilt für die Kreislaufwirtschaft. Ganz konkret geht es um Verpackung im Bausektor oder bei Batterien und die Frage, wie Plastikmüll vermieden werden kann.

Natürlich haben wir immer auch ein Thema, das sich mit den Menschenrechten verbindet, wo wir unterschiedliche Ansichten haben. Das Thema ist wichtig, weil es auch für das Ansehen in der Welt von großer Bedeutung ist. Unser Lieferkettengesetz berücksichtigt weltweit auch die Lage der Menschenrechte, und es ist dazu da, dass sie stärker beachtet werden.

Lassen Sie mich zum Schluss Eines deutlich sagen: Diese Fragen, diese globalen Herausforderungen, werden wir ohne China nicht bewältigen können. Wir können und sollten sie gemeinsam angehen.

Ich bedanke mich noch einmal für die umfangreichen Gespräche, die ich heute hier in Peking führen konnte und für die Gelegenheit, all das so ausführlich und auch vertrauensvoll zu erörtern. Wir leben auf unserem Planeten alle gemeinsam. Deshalb ist es wichtig, dass wir viel miteinander sprechen, uns gegenseitig zuhören und gemeinsam handeln.

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