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Feier zum Tag der Deutschen Einheit 2023 - Rede von Botschafterin Dr. Patricia Flor
TdE 2023, © Deutsche Botschaft Peking
Liebe Gäste,
jedes Jahr am 3. Oktober feiern wir die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990. Dieses Jahr haben wir noch einen anderen Anlass zu feiern: Vor 50 Jahren, am 18. September 1973, wurde Deutschland in die Vereinten Nationen aufgenommen – nicht ein deutscher Staat, sondern zwei: die Deutsche Demokratische Republik und die Bundesrepublik Deutschland.
Dem vorausgegangen war ein schwieriger Prozess: Denn nach der Teilung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg verstanden sich zunächst beide Staaten jeweils als der eigentliche deutsche Kernstaat. Die frühe Bundesrepublik drohte allen Staaten, die die DDR anerkannten, mit Abbruch der diplomatischen Beziehungen.
Erst 1972 vereinbarten die Bundesrepublik und die DDR „normale gutnachbarliche Beziehungen“ auf der Grundlage von Gleichberechtigung. Damit gaben beide den Anspruch auf, sie seien allein die rechtmäßigen Vertreter Gesamtdeutschlands nach außen.
So – und nur so in Verbindung mit den Ostverträgen der BRD vor allem mit der Sowjetunion und Polen – konnten beide vollwertige Mitglieder der Vereinten Nationen werden.
Wenn wir heute den Tag der Deutschen Einheit feiern, sollten wir bedenken, dass genau dieser Schritt eine wichtige, vielleicht entscheidende Voraussetzung für das Gelingen der friedlichen Wiedervereinigung war: Beide Staaten waren bereit, sich mit der Realität zu arrangieren – sie verzichteten auf Drohungen oder gar die Anwendung von Gewalt, sie akzeptierten die Differenz der politischen Systeme und schafften so eine Basis für Dialog und Annäherung.
Nur so war es möglich, dass 17 Jahre später in einem günstigen historischen Moment die Wiedervereinigung durch den Beitritt der DDR zur BRD gelang: friedlich, in freier Entscheidung der Menschen in Ost und West, mit dem Einverständnis der Nachbarn Deutschlands und der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs. Auch China unterstützte sie.
Wenn wir heute den Tag der Deutschen Einheit feiern, ist es kein Tag des Sieges, kein Tag des Triumphes über andere. Es ist ein Tag der gemeinsamen Dankbarkeit und Freude.
Am 3. Oktober 1990 wurde aus den beiden UN-Sitzen einer. Seither hat das wiedervereinigte Deutschland – als mittlerweile zweitgrößter Beitragszahler für das gesamte UN-System – in den Vereinten Nationen immer mehr Verantwortung übernommen.
Denn die Vereinten Nationen müssen auch in Zukunft handlungsfähig bleiben. Deutschland setzt auf eine multilaterale Ordnung, die auf Völkerrecht und Gerechtigkeit beruht, auf Frieden und Sicherheit, Freiheit und Menschenrechten sowie Nachhaltigkeit und Entwicklung. Wir unterstützen eine Reform des UN-Systems und des Sicherheitsrats, damit darin alle Regionen und Staaten der Welt angemessen repräsentiert sind.
Die zentralen Prinzipien der VN-Charta haben nichts von ihrer Bedeutung verloren: Das Gewaltverbot, der Schutz der territorialen Integrität, das Prinzip der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten; das bedeutet auch, dass ein Status quo ausschließlich friedlich und im gegenseitigen Einvernehmen verändert werden darf. Kein Staat darf anderen seinen Willen aufzwingen. Es soll nicht das Recht des Stärkeren gelten, sondern die Stärke des Rechts.
Die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats tragen eine besondere Verantwortung hierfür. Deshalb werden wir nicht nachlassen, Russland, ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrats, für seinen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu verurteilen. Dieser ist ein Frontalangriff auf die Prinzipien der UN-Charta und den Weltfrieden.
Die Vereinten Nationen bleiben der am besten geeignete Ort, an dem sich alle Staaten auf Augenhöhe begegnen und Wege der Zusammenarbeit finden können. Denn den großen globalen Herausforderungen unserer Zeit kann die Gemeinschaft der Völker nur gemeinsam wirksam begegnen.
Wir wollen durch künftige Zusammenarbeit mit China unseren Beitrag dazu leisten – so wie die Bundesregierung es in ihrer ersten China-Strategie betont, die diesen Sommer verabschiedet wurde.
Ja, Risikoreduzierung, größere Resilienz und mehr Eigenständigkeit sind nötig in schwierigen Zeiten, aber Bedrohungen wie die Klimakrise können wir nur gemeinsam bewältigen. Dazu brauchen wir Kooperation für nachhaltiges Wachstum, grüne Energieversorgung, Innovation durch Wissenschaft und Forschung, weltweiten Einsatz grüner Technologien – kurz Umsetzung der Vereinbarungen von Paris und der Sustainable Development Goals zum Wohle aller.
Meine Vorstellung wäre: „green-coupling“ statt „decoupling“.
Ich würde mich freuen, wenn wir heute nicht nur die Einheit Deutschlands feiern und nicht nur Deutschlands Aufnahme in die Vereinten Nationen – sondern auch die Idee der Vereinten Nationen an sich: die Idee einer friedlichen und gerechteren Welt.
Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Abend!