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Rechtsverfolgung und Rechtsdurchsetzung in Zivil- und Handelssachen

29.02.2024 - Artikel

Alle Angaben dieses Merkblattes beruhen auf den Erkenntnissen und Erfahrungen der Botschaft zum Zeitpunkt der Abfassung des Merkblatts. Für die Vollständigkeit und Richtigkeit, insbesondere wegen zwischenzeitlich eingetretener Veränderungen, kann keine Gewähr übernommen werden. Diese Informationen ersetzen nicht eine fachliche Beratung durch dafür zugelassene Stellen (z.B. Rechtsanwaltskanzleien o.a.).

A. Vorbemerkung und Rechtsverfolgung allgemein

Rechtshilfe in Zivil- und Handelsangelegenheiten zwischen Deutschland und China basiert auf dem Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15.11.1965 sowie des Haager Übereinkommens über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 18.03.1970.

Die Rechtsverfolgung mit gerichtlicher Hilfe wird in China zunehmend üblicher und wird immer häufiger als der geeignete Weg angesehen, Konflikte zu lösen. Man ist aber auch immer bemüht, über Kompromisse zu einer Lösung gelangen und somit eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen zu ermöglichen. Daher sehen deutsch-chinesische Verträge häufig die Klausel vor, aufgetretene Konflikte zunächst freundschaftlich zu verhandeln (friendly negotiations/consultations). Beschreitet ein deutscher Geschäftspartner direkt den Weg zum Schiedsgericht oder zum ordentlichen Gericht, kann die chinesische Seite die Zuständigkeit des Gerichts mit dem Hinweis bestreiten, es sei nicht die vorrangig vereinbarte freundschaftliche Lösung angestrebt worden.

Das chinesische Gerichtssystem ist nicht mit dem deutschen oder anderen westlichen Staaten bekannten Rechtssystemen vergleichbar und entspricht meist nicht den aus diesen Systemen bekannten Erwartungen. Noch immer gibt es Richter, die keine juristische Ausbildung haben und von den jeweiligen Lokalregierungen ernannt werden. Dies kann im Einzelfall zu unerwarteten Ergebnissen in Rechtsstreitigkeiten führen. Daher ist in Fällen, in denen die Vereinbarung einer Schiedsklausel zulässig ist, eine solche Vereinbarung sinnvoll (siehe unten B. II).

Das Gerichtssystem ist grundsätzlich vierstufig aufgebaut mit lokalen Volksgerichten, Mittleren Volksgerichten, Höheren Volksgerichten sowie dem Obersten Volksgericht. Signifikante Fälle mit Auslandsbezug (d.h. solche mit komplexem Sachverhalt, hohem Streitwert bzw. mehreren im Ausland ansässigen Parteien) werden erstinstanzlich bei Mittleren Volksgerichten verhandelt. Einfache Fälle mit Auslandsbezug sind erstinstanzlich den lokal zuständigen Volksgerichten zugewiesen. Entscheidungen des Prozessgerichts können grundsätzlich beim Gericht der nächsten Stufe angefochten werden. Der Instanzenzug in Zivil- und Handelssachen ist in der Regel nur zweigliedrig organisiert.


Hinweise:

Ein im Jahr 2013 verabschiedetes Gesetz beschränkt die Möglichkeiten von Unternehmen, durch eigene Recherchen relevante Informationen über ihre potenziellen Geschäftspartner zu erlangen (Due Diligence). Es empfiehlt sich, hier nicht ohne sachkundige Beratung tätig zu werden. Klein- und mittelständischen Unternehmen steht die Nutzung des „EU SME Centre“ in Peking offen, das u.a. bei der Einholung von Informationen über potenzielle Geschäftspartner Unterstützung anbietet.

Nach Art. 28 des Gesetzes der VR China zur Verwaltung der Ein- und Ausreise kann gegen Ausländer u. a. dann eine Ausreisesperre verhängt werden, wenn der Ausländer in einem Strafprozess angeklagt oder verdächtigt wird oder das Volksgericht dies während eines laufenden Zivilprozesses anordnet. Letzteres ist zwar im Prinzip nur zulässig, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens oder der Durchsetzung von möglichen Ansprüchen nach einem Urteil erforderlich ist, kommt in der Praxis aber auch in anderen Fällen vor. Im Fall eines bereits anhängigen Zivilprozesses kann es daher für deutsche Verfahrensbeteiligte empfehlenswert sein, wegen einer möglicherweise drohenden Ausreisesperre von einer Reise nach China zu persönlichen Vergleichsgesprächen Abstand zu nehmen.

B. Rechtsdurchsetzung allgemein

I. Ordentliche Gerichtsbarkeit

Wollen deutsche Unternehmer oder Privatleute ihre in Deutschland erlangten Gerichtsurteile in der VR China durchsetzen, scheitert dies grundsätzlich bereits daran, dass es zwischen Deutschland und China kein Vollstreckungsübereinkommen gibt. Die chinesischen Gerichte würden deutsche Urteile nur dann anerkennen oder vollstrecken, wenn die Gegenseitigkeit verbürgt wäre, chinesische Urteile also auch in Deutschland anerkannt oder vollstreckt würden. Dies ist bislang nicht der Fall. In einem Beschluss des Kammergerichts Berlin (Beschl. v. 18.05.2006, 20 SCH 13/04 ) wurde in einem Einzelfall eine chinesische Entscheidung anerkannt; auf chinesischer Seite ist aber bisher noch kein Fall einer solchen Anerkennung bekannt. Insofern ist es grundsätzlich nur dann nützlich, in Deutschland zu prozessieren, wenn der chinesische Geschäftspartner in Deutschland über ausreichendes Vermögen verfügt. Ansonsten ist eine Klage vor einem chinesischen Gericht anzustreben.

Ausländische Kanzleien dürfen in China rechtlich beratend tätig sein, wobei ausländische Kanzleien (dies gilt auch für dort angestellte chinesische Anwälte) jedoch nicht vor Volksgerichten (allerdings schon vor Schiedsgerichten) vertretungsberechtigt sind. Damit ist für Gerichtsverhandlungen bei den chinesischen Volksgerichten ein chinesischer Anwalt erforderlich (Art. 263 Zivilprozessordnung der VR China).

II. Schiedsgerichtsbarkeit

Im Regelfall sehen deutsch-chinesische Verträge vor, dass Streitigkeiten vor ein Schiedsgericht gelangen sollen, was z.B. bei Handels- oder Gesellschaftsverträgen in der Regel zulässig ist. Dann ist in China der Weg zum Volksgericht versperrt. Nur bei fehlender oder unwirksamer Schiedsgerichtsvereinbarung ist die Zuständigkeit chinesischer Volksgerichte oder der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland gegeben.

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